Friedrich-Weinbrenner-
Gesellschaft e.V.

Karlsruher Werbefilmchen kein Ersatz für Tag des Offenen Denkmals

14. September 2020

In diesem schrecklichen Corona-Jahr ist eben Vieles anders, und Viele haben sich Gedanken gemacht, wie man trotzdem am Tag des Offenen Denkmals das Erlebnis herstellen und auf Denkmale hinweisen kann. Daraus wurde aber mehrheitlich nichts. Anstelledessen – als Ersatz für das direkte Angebot einer Vielzahl von Initiativen, Privatpersonen und Behörden – hat eine Marketingagentur im offiziellen Auftrag Filmchen gedreht, in denen einzelne Orte in Karlsruhe und der Umregion vorgestellt werden, und das ist natürlich auch die Kernregion Weinbrenners. So sind sie dann auch in aller Regel, es sind Werbefilmchen dafür, wie großartig alles ist, wie wunderbar es den Kulturdenkmalen in der Region geht, wie sie von den Behörden, Privatleuten usw. geliebt und gepflegt werden, alles mehr oder weniger sachkundig vorgetragen, einige tatsächlich auffallend unbedarft und fehlerhaft, dafür in pathetischem Ton, aber vor allem tendenziell unkritisch und euphorisch.

Die Wirklichkeit sieht natürlich, wie wir wissen, anders aus, aber dafür war hier kein Platz und keine Zeit.

Vieles wird als Erfolgsgeschichte von Wiederherstellung und Pflege gefeiert, aber beispielsweise im Beitrag zum Botanischen Garten mit keinem Wort erwähnt, dass er noch vor wenigen Jahren empfindlich beschnitten werden sollte und dies nur durch bürgerschaftliches Engagement nicht im geplanten Ausmaß geschah.

Mehrfach ist davon die Rede, dass Gebäude nach dem letzten Krieg originalgetreu wiederaufgebaut worden seien, auch wenn wir es besser wissen, z. B.: «Wir bauen die Stadtkirche wieder auf, so wie sie Weinbrenner gewollt hat.» Kein Wort darüber, dass man es heute nicht einmal schafft, dem Gebäude die richtige Farbe zu geben, weil zu viele unwissende, aber von sich überzeugte Dilettanten mitreden. Und natürlich wird «Weinbrenners Marktplatz» mehrfach von Drohnen überflogen, ohne jedoch darauf hinzuweisen, dass er gerade erst bis zur Unkenntlichkeit umgepflügt und entstellt worden ist.

Natürlich fällt der Name Weinbrenner häufig, Fachleute für Weinbrenner wurden jedoch nicht gefragt. Also soll beispielsweise die Evangelische Stadtkirche «im Stil eines griechischen Tempels» gebaut worden sein, was in vielerlei Hinsicht nicht wahr ist, oder die Pyramide als Folge von Napoleons Ägyptenfeldzug, als jedoch Baden mit Napoleon schon längst nichts mehr zu tun haben wollte. Halbwissen genügte hier schon. Echtes Wissen war nur bedingt gefragt, und Rückfragen oder nachträgliche Korrekturen sind in diesem Format nicht möglich.

Werbung und Wissen sind bekanntermaßen keine siamesischen Zwillinge. In Karlsruhe hat man die Gelegenheit Corona dazu genutzt und dafür großen Aufwand betrieben, um die «Message» zu verbreiten, das Kulturerbe sei in besten Händen, und sich selbst und die eigene Arbeit im Nachhinein legitimieren zu lassen. Das hier verlinkte Einstiegs-Video mit einem unverbindlichen, über die wirklich harten Brocken wie die faktische Zerschlagung der Denkmalpflege hinwegplaudernden Gespräch zwischen dem Karlsruher Oberbürgermeister und der Staatssekretärin im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau (!) spricht schon Bände.

Also enthalten diese Filmchen noch viele Gründe mehr, inständig auf einen echten Tag des Offenen Denkmals im nächsten Jahr zu hoffen. Wenn man die Verbreitung ‘alternativer Fakten’, die Gleichschaltung von Wissen und die Propaganda in eigener Sache tatsächlich auf die Politik zurückbeziehen würde, stünde sie nicht gut da. Aber solange es nur Werbung ist, kann die beauftragte Marketingagentur «Karlsruhe erleben» ihr Credo so auf den Punkt bringen: «Kaum zu glauben. Karlsruhe.»

https://www.youtube.com/watch?v=cBAlH63U_sk