Friedrich-Weinbrenner-
Gesellschaft e.V.

Weinbrenner-Schule im Kraichgau, 6: Eppingen

07. Juli 2019

Es ist sicher eines der prominentesten Beispiele der Weinbrenner-Schule im Kraichgau, das 1824/25 gebaute Rathaus von Eppingen, und ein Hauptwerk des hier schon mehrfach vorgestellten Karl August Schwarz. Es strahlt eine natürliche Würde aus, die mit Leichtigkeit und Witz statt großem Aufwand erreicht wurde. Wieder spielte Schwarz hier mit wenigen Elementen, die er in eine überraschende Verbindung brachte. Denn im Grunde besteht das Rathaus nur aus einem großen, ruhigen Hauskörper, den Schwarz mit einem monumentalen Mittelteil überlagert, ähnlich Weinbrenner am Karlsruher Rathaus. Nur eben, daß hier in Eppingen nicht klassische Säulen der Fassade eine zierlich-elegante Visitenkarte verleihen, sondern steile und wuchtige Pfeiler die Massigkeit des Gebäudes an dieser Stelle noch steigern. Aus dem Winkel betrachtet, schließen sie sich sogar zu einer einzigen Fläche zusammen, die in einem eigenen Giebel endet und damit wie ein Haus im Haus steht.

Noch dazu präsentiert sich das Rathaus Eppingen im historischen Zustand, auf den ersten Blick jedenfalls. Erst 2007 ist es renoviert worden. Dabei ist aber auch eine Unsitte zementiert worden, die uns oft bei Bauten Weinbrenners und seiner Schüler begegnet. Denn man hat nicht den Originalzustand restauriert, sondern die Überarbeitung aus der Zeit des Historismus um 1900, also aus einer Zeit, in der man glaubte, die vermeintlich zu schlichten Bauten interessanter machen zu müssen, weil man kein Verständnis mehr für die subtilen Finessen der klassizistischen Architektur hatte, wohl aber für historische Verkleidungen. Paradoxerweise sollte das Rathaus «mittelalterlicher» wirken, vermutlich wegen der umgebenden Fachwerkhäuser.

Dabei stören die aufgemalten bunten Wappenschilder weniger als die Farbfassung der gesamten Fassade. Eine zweifarbige Wand ist in der Weinbrenner-Schule schon grundsätzlich falsch, denn das feine Relief aus den ineinandergreifenden Schichten sollte sichtbar gemacht werden, nicht konterkariert. Hier wurde es aber durch den starken Kontrast regelrecht zerschlagen. Am auffälligsten stört die verzahnte Quaderleiste, die den Hauskanten aufgemalt worden ist. Sie durchbricht die Dreiteilung in Sockel, Fassade und Dach und ‘beißt’ sich mit allen vorhandenen Linien: der Gliederung im Sockel ebenso wie mit dem Zahnschnitt in der Dachkante sowie den Fensterbänken. Die Eleganz der originalen Bauteile mußte sich einem grobschlächtigen und zudem unpassenden Bild unterordnen. Daß die Fassade nicht mehr aufgeht, zeigen besonders anschaulich die Fenster in den weißen Flächen: ihre Abstände zur Gebäudekante sind zu gering, diejenigen zur Dachkante zu groß, und sie stimmen damit auch untereinander nicht mehr. Alles hat sich verschoben und verschnitten.

Daß dies 1904 passiert war, ist eine Sache. Daß die Unstimmigkeiten 2007 von den beteiligten Fachleuten nicht gesehen oder gedankenlos wiederholt wurden, ist eine andere, weniger leicht verzeihliche. Gewiß stand dahinter auch das bewußte Interesse, den Kontrast zwischen «alt» und «neu» besonders stark hervortreten zu lassen. Diese Demonstration wog schwerer als das stimmige und positive Bild einer Architektur, die historisch bedeutsam ist, allgemein wie speziell für die Region. Im Innern wurde die filigrane Holztreppe durch eine geschlossene Form ersetzt, überhaupt die historische zugunsten einer klinischen Erscheinung getilgt. Wenigstens der Anstrich aber ließe sich vergleichsweise einfach korrigieren und das Äußere durch ein paar Eimer Wandfarbe wieder ins Gleichgewicht bringen. Kaum vorzustellen, wie gut und richtig das Rathaus dann erst aussehen würde, wenn sich die Architektur so präsentieren dürfte, wie sie sich Schwarz ausgedacht hatte.
(Und wie wir es am Ende der Bildstrecke mit einer provisorischen Retusche des ersten Bildes andeuten.)